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Mit dem öffentlichen Verkehr verreisen – ein Fallbeispiel

Road Trips sind cool, Wochenendtrips mit Billigairlines in, nur über das Reisen mit öffentlichen Verkehrsmitteln liest man wenig. Zu wenig. Für mich gibt es eigentlich nichts Schöneres als eine Zug- oder Busfahrt durch die Landschaft. Stundenlang aus dem Fenster die vorbeiziehende Landschaft bestaunen ist für mich pure Entspannung. Kein Vergleich mit Autofahren, wo ich mich auf die Strasse und den Verkehr konzentrieren sollte oder Flügen, wo man irgendwo einsteigt und Stunden später ohne Zeit- und Raumbezug wieder aussteigt.

Klar, ein Nachteil hat das Reisen mit dem öffentlichen Verkehr gegenüber dem Unterwegssein mit dem eigenen Auto. Wenn man unterwegs einen tollen Foto-Spot sieht, kann man nicht einfach mal schnell anhalten und man ist an Fahrpläne gebunden. Weitere Argumente, die oft gegen das Reisen mit dem öffentlichen Verkehr verwendet werden: es ist zu teuer und zu kompliziert.

Aber stimmt das wirklich? Ich hoffe, nachfolgendes Fallbeispiel inklusive detaillierten Kostenangaben sowie Tipps und Tricks kann euch auch zu vermehrten Reisen mit dem öffentlichen Verkehr ermuntern.

Öffentlicher Verkehr, viel zu kompliziert! – diese Tipps helfen:

Auf unsere Reise von der Schweiz via Österreich, Slowenien und Italien zurück in die Schweiz waren wir mit Ausnahme einer einzigen Zwischenetappe ausschliesslich mit dem öffentlichen Verkehr unterwegs. Eins vorweg, die Recherchearbeiten, um all die Verbindungen herauszufinden waren anspruchsvoller als ich zu Beginn dachte. Trotzdem, wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.

1. Etappe: Zürich – Lienz

Die richtige und vor allem schnellste Verbindung für die erste Tagesetappe zu finden, war bereits eine ziemliche Herausforderung. Gibt man nämlich die Verbindung bei der SBB-Seite ein, wird einem folgende Verbindung vorgeschlagen:

Zürich HB ab 6.40, Salzburg Hbf an 12:03, Salzburg Hbf ab 12:12, Spittal-Millstätter See an 14:18, Spittal-Millstätter See ab 14:31, Lienz im Osttirol an 15:35

Gemäss SBB-Seite dauert die Reise somit ganze 8:55 Stunden mit 2x umsteigen – eine Ewigkeit!

Sucht man die gleiche Verbindung auf der ÖBB-Reiseportal wird einem folgende Verbindung angezeigt:

Zürich HB ab 6.40, Innsbruck an 10:16, Innsbruck ab 10: 35, Lienz im Osttirol an 13:33

Hier dauert die Fahrzeit mit 1x umsteigen nur noch 6:35 Stunden.

Wieso?

Tipp:

Suche die Bahnverbindungen möglichst immer direkt auf der Seite des jeweiligen Netzbetreibers. Die schnelle Verbindung Innsbruck-Lienz wird vom ÖBB-Postbus bedient, der bei den SBB nicht in der Datenbank integriert ist.

Kosten:

Das 2. Klasse-Ticket Zürich-Lienz kostet gemäss ÖBB-Seite 62.20 Euro. Ich zahlte für diese Strecke nur 33 CHF, weil ich mir nur ein Anschlussticket für Österreich kaufen musste. Die Postbus-Etappe war dagegen ein Schnäppchen, da wir uns mit drei Mädels zusammen ein Gruppenticket (32 Euro für max. 5 Personen) gekauft hatten und ich somit nur 6.40 Euro bezahlen musste.

Tag 1, 462 Kilometer: 62.20 + 6.40 = 68.60 Euro

Highlights:

Die Fahrt entlang des Zürichsees bei Sonnenaufgang und die abwechslungsreiche Postbusfahrt über den Brenner und durch das Pustertal (Südtirol) nach Lienz.

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2. Etappe: Lienz – Villach – Bled

Nach einem zweitägigen Aufenthalt in Lienz, setzten wir unsere Reise am dritten Tag in Richtung Slowenien fort. Unser nächstes Ziel war Bled. Aber welches Bled? Lesce Bled oder Bled Jezero. Die Verbindung nach Lesce Bled erschien uns äusserst kompliziert und dauert ca. doppelt so lange, obwohl der Bahnhof eigentlich näher am See liegt. Uns erschien die Variante mit 1x umsteigen nach Bled Jezero, das etwas ausserhalb von Bled selbst liegt, irgendwie stimmiger. Die Fahrt dauert 4.27 Stunden mit zwei Stunden Aufenthalt in Villach.

Tipp:

Gib die Namen der Bahnstationen bei Google Maps ein und kontrolliere, welche Haltestellen näher bei deiner Unterkunft liegen. Kontrolliere ebenfalls, wie oft du umsteigen musst und wieviel Umsteigezeit dir zur Verfügung steht.

Kosten:

Tag 2, 150 Kilometer: 32.80 (Bahnfahrt) + 1.30 (Busfahrt Bled Jezero bis Bled Zentrum) = 34.10 Euro

Highlights:

Der zweistündige Aufenthalt in Villach, der für einen kurzen Rundgang durch die äusserst schmucke Kleinstadt sowie einen Kuchenstopp beim Café Bernold (Nikolaiplatz 2) gereicht hat.

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3. Etappe: Bled – Ljubljana

Die offensichtlichste Verbindung für die Weiterfahrt von Bled nach Ljubljana wäre, mit dem Bus zurück nach Bled Jezero und von dort mit dem Zug weiter in die Hauptstadt Sloweniens. Nur ist das nicht die bequemste und schnellste Verbindung. Von Bled selbst gibt es eine stündlich verkehrende direkte Busverbindung (Alpetour) nach Ljubljana. Umsteigefrei und vor allem viel günstiger! Die Busfahrt dauert knapp 1.15 Stunden.

Tipp:

Du bist unsicher, welche Alternativen an öffentlichen Verkehrsmitteln dir zur Verfügung stehen? Gib die Verbindung einmal in voller Länge bei Google ein (z.B „How to get from Bled to Ljubljana“) oder finde mögliche Alternativen auf Rome2Rio. Achtung! Immer die angegebenen Alternativen bis auf die Anbieterseite weiterverfolgen und verifizieren.

Kosten:

Tag 3, 54 Kilometer: 6.30 Euro

Highlights:

Der Bleder See und die kulinarische Vielfalt in Ljubljana.

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4. Etappe: Ljubljana – Portoroz

Von Ljubljana an die slowenische Küste gibt es keine Zugverbindungen. Trotzdem erreich man Portoroz problemlos mit dem öffentlichen Verkehr. Es gibt ca. 5-6x täglich eine Busverbindung bis nach Piran. Die Fahrt dauert knappe 3 Stunden.

Tipp:

Die Webseite der slowenischen Busverbindungen existiert nur auf Slowenisch. Dementsprechend unsicher war ich, ob wir das System begriffen und vor allem, ob ich mir die richtige Verbindung rausgesucht habe. Daher bin ich sofort nach der Ankunft beim Busschalter vorbeigegangen und habe mir die Verbindung bestätigen lassen und gleichzeitig das Ticket gekauft. Das hilft vor bösen Überraschungen vor der Abfahrt.

Kosten:

Tag 4, 120 Kilometer: 13.50 Euro

Highlights:

Spannende Fahrt quer durch Slowenien und Entspannung pur in Portoroz.

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5. Etappe: Portoroz – Trieste

Während den Sommermonaten gibt es eine schnelle Fährverbindung von Piran nach Trieste (30 Minuten Fahrtzeit). In den übrigen Monaten erreicht man Trieste per Bus mit einmal Umsteigen in Koper. Wir hatten bei dieser Etappe Glück und wurden mit einem Privatauto kostenlos bis nach Trieste mitgenommen.

Highlights:

Romantische Abendstunden in Trieste. Sowieso Trieste ist auf jeden Fall einen Abstecher wert!

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6. Etappe: Trieste – Verona

Trieste-Verona ist eine simple Etappe. In Trieste das Ticket lösen, den Sitzplatz in der Freccciabianca suchen, 2.30 Stunden durch norditalienische Landschaft sausen und in Verona Porta Nuova aussteigen. Keine grosse Kunst, oder?

Tipp:

Bei den Tickets in der Frecciabiance (und Frecciarossa) ist jeweils die Sitzplatzreservierung im Ticketpreis inbegriffen. Man kann somit gar kein Ticket ohne Sitzplatzreservierung kaufen.

Kosten:

Tag 6, 260 Kilometer: Euro 37.50 Euro

Highlights:

Gelati in Verona

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7. Etappe: Verona – Milano – Varenna

Diese Etappe war nochmals eine besondere Herausforderung, weil die Trenitalia-Seite nur die überregionalen Verbindungen ohne den regionalen Nahverkehr anzeigt. Bis ich herausgefunden habe, dass es von Milano eine Zugverbindung in Richtung Tirano gibt, sind einige Suchminuten vergangen. Auch hier hat mir Rome2Rio weitergeholfen, weil dort jeweils der Verweis auf den Anbieter angezeigt wird. Sehr praktisch! Die Zugfahrt dauert insgesamt 2.30 Stunden (1.30 Stunde bis nach Milano und dann noch eine Stunde bis nach Varenna). Je nach Lust und Laune könnte man hier einen Shopping-Zwischenhalt in Milano integrieren.

Kosten:

Tag 7, 180 Kilometer: 21.50 (Verona-Milano) + 6.45 (Milano – Varenna-Esino) = 27.95 Euro

Highlights:

Varenna am Comer See. Der Ort ist schlichtweg ein Traum.

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8. Etappe: Varenna – Tirano – Alp Grüm

Der Hauptgrund wieso wir den Bogen über Varenna machten war, dass wir die Rückkehr in die Schweiz mit der Fahrt auf der Bernina-Strecke der Rhätischen Bahn kombinieren konnten. Auf diesem Streckenabschnitt steht ganz klar das einmalige Bahnerlebnis und nicht die Schnelligkeit im Vordergrund. Getreu dem Motto: die Reise ist das Ziel. Die Fahrt ist gespickt mit Highlights wie das Kreisviadukt in Brusio und unzähligen spektakulären Serpentinen zwischen Poschiavo und der Alp Grüm.

Kosten:

Tag 8, 115 Kilometer: 7.00 Euro (Varenna-Esino – Tirano) + 17.80 CHF (Tirano – Alp Grüm) = ca. 26.50 CHF

Highlights:

Eine Übernachtung auf der reizenden Alp Grüm kurz vor dem Bernina Hospiz kann ich euch wärmstens empfehlen. Bei uns hat leider das Wetter nicht wirklich mitgemacht, aber auch bei Schneegestöber ist es hier oben urgemütlich.

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9. Etappe: Alp Grüm – Zürich

Beim schönsten Teil der Bernina-Strecke hat uns das Wetter einen Strich durch die Rechnung gemacht. Der Lago Bianco versteckte sich hinter Schneegestöber, Eis und dichtem Nebel. Da Einzige was wir erspähten, war das Schild, das die Wasserscheide zwischen Adria und Nordsee markierte. Die Fahrt zurück nach Zürich führt anschliessend auch noch über den zweiten Teil des Unesco-Welterbes – der Albula-Strecke. Nach etwas über 4 Stunden entspannender Bahnfahrt sind wir wieder zu Hause.

Kosten:

Tag 8, 250 Kilometer:  80 CHF

Fazit:

Wir sind rund 1’500 Kilometer gereist, haben dabei gute 25 Stunden in Zügen und Bussen verbracht und dabei pro Person rund 290 Euro bezahlt. Ich würd meinen, dass ist ein ziemlich gutes Preis-Leistungsverhältnis.

Einen wichtigen Tipp zum Schluss: wir sind auch bei solchen Reisen mit dem Koffer und nicht mit dem Backpack unterwegs. Dabei ist aber wichtig zu beachten, dass der Koffer eine Grösse aufweist, die «bahntauglich» ist und man ihn auch gut einige Meter zu tragen vermag. Also nicht zu schwer packen.

Und wie sind deine Erfahrungen mit Bahnreisen? Hast du noch weitere hilfreiche Tipps und Tricks? Ärgert dich etwas ganz besonders? Oder bist du ebenfalls ein begeisterter Bahnreisender?

Über den Autor

Artikel

Hallo ich bin Anita, leidenschaftliche Weltenbummlerin und Hobby-Fotografin. Ich liebe es, neue Flecken auf unserer wunderbaren Welt zu entdecken. Dabei gilt, das Abenteuer beginnt direkt vor der Haustür! So bin ich nicht nur in exotischen Ländern sondern auch oft in der Schweiz unterwegs.
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