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Große Reibn – Hüttentour im Nationalpark Berchtesgaden

«Wieso kraxelt ihr nicht auf euren Schweizer Bergen rum?». Diese Frage bekommen wir in den vier Tagen auf Hüttentour im Nationalpark Berchtesgaden am meisten zu hören. Zwei Schweizer, hier bei uns? Ungläubiges Kopfschütteln. Es liegt tatsächlich nicht auf der Hand, eine beinahe siebenstündige An- und Abreise in Kauf zu nehmen, um ein paar Tage die deutsche Bergwelt auszukundschaften. Doch wer schon Bilder vom Königssee oder – dem wohl beliebtesten Instagram-Sujet Bayerns – Obersee gesehen hat, der versteht, wieso ich unbedingt in diesem Zipfel Bayerns wandern wollte. Der zweitälteste Nationalpark Deutschlands ist was Besonderes.

1. Wandertag: von Schönau zur Gotzenalm

Der erste Wandertag startet kurz vor sechs Uhr morgens mit einer Zugfahrt von Zürich nach Salzburg. Beide Wanderrucksäcke sind gepackt – ich setze auf mein bewährtes rotes Modell, das ich bereits auf dem Toggenburger Höhenweg drei Tage auf dem Rücken trug. Eingepackt sind Hüttenschlafsack, Regenjacke, Flipflops für den Hüttenabend (unnötiger Ballast ja oder nein?) und sonstiger Krimskrams. Die Angst, irgendwas Essenzielles vergessen zu haben, reist im Zug mit. Von Salzburg geht es mit dem Bus via Berchtesgaden direkt in die Höhe. Doch bevor wir losmarschieren, gibt es im Gasthof Vorderbrand in der Nähe der Jennerbahn-Mittelstation noch eine köstliche Stärkung. Uns wird die wohl schönste Omelette ever serviert. Was für ein Start. Da schauen wir grosszügig über die Tatsache weg, dass pünktlich zum Wanderstart der Regen einsetzt. Dafür sind wir gerüstet. Auch wenn Regenschirme bei manchem Wanderer verpönt sind, haben wir aufgrund der durchwachsenen Wetterprognosen vorsorglich einen eingepackt.

Kurz nach dem ersten Aufstieg zur Priesbergalm setzt sich die Sonne durch und wir wandern mit Watzmannblick Richtung Gotzenalm. Der Weg wechselt vom breiten Kiesweg auf einen schmalen Waldpfad. Der «Hirschlauf» hat es in sich. In einem teils abenteuerlichen auf und ab, schlängelt er sich den Hang empor. Doch so richtig in sich hat es das letzte Wegstück, das steil bergauf zum Feuerpalven führt. Von hier gibt es für uns zur Belohnung den ersten grandiosen Ausblick auf den Königssee. Vom Feuerpalven bis zum Etappenziel Gotzenalm sind es knappe zehn Minuten. Hüttenfinken hat es keine. Die Flipflops erfüllen ihren Dienst. Nach einer Portion Teigwaren fallen wir hundemüde ins Stockbett im Zweierschlag. Was für ein Tag!

Gasthof-Vorderbrand-Schönau

Watzmann-Berchtesgaden

Priesbergalm

Große-Reibn-rund-um-den-Koenigsee

Hirschlauf

Blumen-Feuerpalven

Aussicht-vom-Feuerpalven

Gotzenalm

2. Wandertag: auf und ab zur Wasseralm

Der zweite Wandertag startet bewölkt. Doch während wir uns mit einem zünftigen Frühstück stärken, verziehen sich die Wolken langsam. Wir wandern mit einem letzten Blick auf die Gotzenalm mit Watzmann im Hintergrund weiter Richtung Wasseralm. Die Landschaft mit ihren schroffen Gipfeln, gurgelnden Wasserfällen und lockeren Tannenwäldern erinnert an die Rocky Mountains. Ohne Schweisstropfen geht es auch am zweiten Tag nicht.

Obwohl die Wegetappen mit je rund vier Stunden Wanderzeit überschaubar sind, zehrt das ständige auf und ab an den Kräften. Belohnt wird die Anstrengung an diesem Tag mit einem herrlichen Blick auf den Obersee. Was für ein Panorama! Kurz nach dem Mittag erreichen wir die idyllisch gelegene Wasseralm auf 1’400 m ü M.. Die kleinste der drei Hütten auf dieser Tour liegt eingebettet zwischen blühenden Almwiesen und einem erfrischenden Bachlauf. Wer fit ist, erreicht von hier aus in rund drei Stunden sowohl das grosse als auch das kleine Teufelshorn. Wir dagegen bestellen ein feines Plättli und geniessen den Nachmittag in der Sonne vor der Hütte.

Morgenstimmung-Nationalpark-Berchtesgaden

Gotzenalm-mit-Watzmann

Huetteontour-Koenigsee-Berchtesgaden

Kahlersberg

Nationalpark-Berchtesgaden

Obersee-Nationalpark-Berchtesgaden

Abendstimmung-Wasseralm

Wasseralm-Verpflegung

Wasseralm-Nationalpark-Berchtesgaden

3. Wandertag: übers Halsköpfl zum Kärlingerhaus

Die Wasseralm hat sich gegen den Abend gut gefüllt. 40 Leute in einem Schlafraum – ihr könnt euch vorstellen, welches Schnarchkonzert daraus resultiert. Dementsprechend früh sind wir am nächsten Morgen aus den Federn und wandern weiter Richtung Halsköpfl. Obwohl die beiden Hütten gut gefüllt waren, treffen wir unterwegs kaum auf Mitwanderer. Und so geniessen wir die Aussicht vom Halsköpfl auf den Königssee für uns allein. Nach zwei Tagen ohne jeglichen Handyempfang (auf der Gotzenalm hätte es fürs Telefonieren gereicht, aber auf der Wasseralm wurde kein Signal mehr gefunden), lassen wir uns hier oben mit fabelhaften 4G Zeit, um uns auf allen Kanälen upzudaten. Die Wandertage im Nationalpark Berchtesgaden waren unverhofftes «Digital Detox». In der Schweiz sind wir uns gewohnt, bis in den hinterletzten Talwinkel 4G Qualität zu erhalten. Auf dieser Hüttentour war ich dankbar, zumindest einmal genügend guten Empfang zu haben, um ein Bild auf Facebook hochzuladen. Wer das ständige «online sein» als Last empfindet, der kann hier durchschnaufen.

Nach rund dreissig Minuten Pause haben es sich noch fünf weitere Wanderer auf der Sitzbank auf dem Halsköpf gemütlich gemacht. Zeit zum Weitermarschieren. Der folgende Wegabschnitt ist einer der schönsten dieser viertägigen Tour. Nach einem kurzen Abstieg durch den Wald, wo wir im Dickicht eine Gams erspähen, erreichen wir den Schwarzsee. Danach geht’s wieder bergauf. Am wunderschönen Grünsee vorbei, die Himmelsleiter empor zur Hochebene mit Funtensee und Kärlingerhaus. Bekannt wurde der Bergsee durch den TV-Meteorologen Jörg Kachelmann, der hier eine Wetterstation errichtete und feststellte, dass hier im Winter für Deutschland rekordverdächtigte Minustemperaturen gemessen werden. Auch hier, der Aufstieg hat es in sich um beim Kärlingerhaus angekommen, gönnen wir uns erstmal eine Mittagsrast.

Teufelhoerner-Berchtesgaden

Aussicht-Halskopf

Schwarzsee-Grosse-Reibn-Berchtesgaden

Gruensee-Berchtestaden

Gruensee-Berchtesgaden-Bayern

Himmelsleiter-Grosse-Reibn

Wegweiser-Nationalpark-Berchtesgaden

Hüttentour Nationalpark Berchtesgaden

Die unverhofft stabile Wetterlage wollen wir nicht ungenutzt verstreichen lassen und nehmen nach der Pause noch den Feldkogel in Angriff. Der Gipfel liegt auf 1’886 m ü. M. und lässt sich in einer Stunde ab Kärlingerhaus erwandern. Die zusätzlichen Höhenmeter werden mit einer herrlichen Aussicht über den Nationalpark entschädigt. Das freche Pfeifen der Murmeltiere haben wir in den letzten Tagen mehrmals gehört. Auf dem Rückweg sehen wir endlich drei Exemplare.

Pünktlich mit den ersten Regentropfen sind wir zurück im Kärlingerhaus, wo wir und eine Dusche gönnen. Nach zwei Hüttentagen ohne Dusche freuen wir uns über diesen Komfort. Drei Minuten warmes Wasser kosten drei Euro. Der Zähler beginnt, sobald das Geld eingeworfen ist. Weil mir das nicht klar war und ich zuerst das Geld einwarf, mich dann seelenruhig umzog und erst dann unter die Dusche hüpfte, blieb mir noch eine Restzeit von zwei Minuten. Tja. Das kalte Wasser zum Schluss erweckte meine Waden wieder zum Leben.

Die Hütte war zum Abend hin bis zum Bersten gefüllt. Digital Detox bedeutet im Hinblick auf Fussballeuropameisterschaft und Viertelfinalspiel Deutschland-Italien eine präzise Routenplanung. Mit einem exklusiven Fernsehzimmer konnte das Kärlingerhaus an diesem Abend diesbezüglich punkten. Dementsprechend zum Bersten gefüllt war der kleine Raum schon Stunden vor dem Spiel. Das vertrieb selbst hartgesottene Deutschlandfans mit Götze-Fussballtrikot. Statt bibbernd Deutschland die Daumen gedrückt zu halten, instruierten sie uns Schweizer in «Schnauz». Selbstverständlich mit bayrischen Karten. Ein Hüttenabend, wie er im Bilderbuch steht.

Alpenrosen-Koenigsee

Aussicht-Feldkogel-Koenigsee

Murmeltier-Nationalpark-Berchtestaden

Grosse-Reibn-Kaerlingerhaus

4. Wandertag: Abstieg zum Königssee

Nach drei Tagen Wetterglück zeigt sich der vierte Morgen von seiner trüben Seite. Immerhin hat es sich ausgeregnet. Wir wandern durch die Nebelschwaden talwärts und steigen über die berüchtigte Saugasse nach St. Bartholomä ab. 400 Höhenmeter und 36 Kehren führt die Saugasse einen Steilhang runter. Man stellt sich den Anblick in Gegenrichtung vor und erschaudert. Wer hier hochwill, braucht eindeutig Schnauf.

Wir dagegen haben die 2’650 Höhenmeter der Hüttentour an dieser Stelle bereits erfolgreich bewältigt und fahren von St. Barholomä mit dem Schiff Richtung Schönau am Königssee zurück, von wo aus wir via Salzburg und München zurück in die Schweiz reisen. Es waren vier herrlich abwechslungsreiche Tage mit malerischen Almweiden, unruhigen Hüttennächten und phänomenalen Aussichten. Wer braucht nach diesen Bildern noch eine Antwort auf die Frage, wieso wir nicht immer auf unseren Schweizerbergen rumkraxeln? Der Nationalpark Berchtesgaden hat uns eine unvergessliche Hüttentour beschert.

Funtseealm

Abstieg-Koenigsee

Nebel-Nationalpark-Berchtesgaden

Saugasse

Wallfahrtskirche-St-Bartholomae

St-Bartholomae-Koenigsee

Die Hard Facts zur Hüttentour im Nationalpark Berchtesgaden:

Die Strecke ist insgesamt 37 Kilometer lang, beinhaltet eine Steigung von 2’650 Höhenmetern und ein Gefälle von 2’650 Höhenmetern (wenn ihr unten in Schönau startet). Alternativ kann man bis zur Mittelstation der Jennerbahn hochfahren und spart sich so zum Start ein paar Höhenmetern. Die Wanderzeit beträgt rund 16 Stunden. Die einzelnen Etappen sind rund vier Stunden lang. Die Tour lässt sich auch in drei Tagen machen. Entweder am ersten Tag direkt zur Wasseralm wandern oder aber am zweiten Tag von der Gotzenalm direkt zum Kälingerhaus marschieren.

Weiterführende Infos zur Hüttentour findet ihr hier. Auf outdooractive gibt es zudem weitere Routentipps und Kartenmaterial.

Unsere Hüttentour im Nationalpark Berchtesgaden wurde von der Deutschen Zentrale für Tourismus und Berchtesgadener Land Tourismus unterstützt. Vielen Dank hierfür. Wie immer sind alle Eindrücke und Meinungen die unseren.

Über den Autor

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Hallo ich bin Anita, leidenschaftliche Weltenbummlerin und Hobby-Fotografin. Ich liebe es, neue Flecken auf unserer wunderbaren Welt zu entdecken. Dabei gilt, das Abenteuer beginnt direkt vor der Haustür! So bin ich nicht nur in exotischen Ländern sondern auch oft in der Schweiz unterwegs.
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